Die Teilnehmenden am Podiumsinterview (v.l.): Fritz Peyer, Nathalie Flückiger, Gesprächsleiter Wilf Gasser und Claudia Gloor.
(©Maksym Tkach, SEA)
Es ist eine bisher noch nie dagewesene Entwicklung: Zu Hunderttausenden gehen die Babyboomer in Rente. Aber nicht nur ihre Zahl ist bemerkenswert. Noch nie war eine Generation so fit, gebildet und wohlhabend. Gefragt ist sie in Gesellschaft und Kirche aber häufig nicht mehr. Am Perspektiventag in Burgdorf dachten rund 150 Personen darüber nach, was Babyboomer und Kirchen dazu beitragen können, geistliche Gemeinschaft zu gestalten, damit alle Generationen in allen Lebensbereichen aufblühen können.
150 Kirchenverantwortliche und Betroffene beteiligten sich am Perspektiventag der SEA-Arbeitsgemeinschaft «Perspektive 3D – Das Dritte Drittel des Lebens mündig und glaubensstark gestalten» in Burgdorf. Der Tag bot in Referaten, Gesprächen und Workshops tiefgreifende Impulse zur Frage, wie die Generation der Babyboomer (ca. Jahrgang 1955 bis 1968) ihr Potenzial für Kirche und Gesellschaft entfalten kann. Umrahmt wurde das vielfältige Programm von Ädu Baumgartner, dem Berner Trubädur.
Babyboomer: Kitt, vernachlässigbare Platzfüller oder Spaltkeil?
Wenig überraschend kamen relevante Beiträge von Babyboomern selbst: Die beiden Referenten René Winkler und Christoph Leu skizzierten die Lebenswirklichkeit gläubiger Babyboomer. Sehr ehrlich gaben sie Einblick in ihr eigenes Ringen und ihre Fragen. Sie beschrieben die Babyboomer als eine Gruppe, welche die neu gewonnene Freiheit schätzt, aber auch erlebt, dass sie nicht mehr gefragt ist. Teilweise werden Babyboomer im Kirchenleben kaum mehr abgebildet. Aufgrund dieser Ausgangslage lohnt es sich für Kirchen, in Reflexionsräume zu investieren, wo die Lebensfragen der Babyboomer auf Augenhöhe und ohne Wertung zur Sprache kommen können. Die Gemeinde als geistliche Familie kann Verbundenheit schaffen, gerade auch ausserhalb organisierter Formen, zum Beispiel beim gemeinsamen Essen zuhause. Wenn es um die Aktivierung von Ressourcen und Potenzial geht, darf nicht die Frage im Vordergrund stehen, wie dank den Babyboomern das System der Kirche am Leben erhalten werden kann. Vielmehr sollte eine Ressourcenorientierung eingeübt werden. Dazu helfen Fragen wie: «Was entfacht mein inneres Feuer?» «Bin ich mit meiner Lebensgeschichte versöhnt?» Oder: «Gestalte ich ein (geistliches) Zuhause mit?»
In der anschliessenden Podiumsdiskussion ermutigten die beiden Referenten, nach dem Ausstieg aus dem Beruf oder der Gemeindeleitung, wenn soziale Verarmung drohen kann, sich bewusst mit Menschen zu verbünden. Mit Menschen, die einem helfen, sich vor lauter Freiheit im geistlichen Leben nicht gehen zu lassen. «Wir sollten weniger von Leiterschaft und mehr von Nachfolge sprechen», sagte Christoph Leu.
Christa Gasser, die Koordinatorin der SEA-Arbeitsgemeinschaft, pflichtete den Referenten bei: «Ihr habt uns aus dem Herzen gesprochen. Wir lieben unsere Kirche, aber haben oft auch an ihr gelitten. Ihr habt uns Mut gemacht, weiter Kirche zu gestalten.»
«Niemand muss für uns Programm machen»
Verantwortliche aus der Heilsarmee, Viva Kirche oder BewegungPlus erzählten, wie sie mit Babyboomern Kirche gestalten. Wiederholt kam dabei die Mitbeteiligung als zentraler Aspekt zur Sprache. «Niemand muss für uns Angebote realisieren, wir können das selber», betonte Fritz Peyer aus der BewegungPlus. Babyboomer wollen nicht unterhalten oder bedient werden, sondern sich mit ihren Ideen und Kompetenzen einbringen. Wenn eine Gemeindeleitung dabei zu straff führt, schreckt das Babyboomer ab.
Was am Perspektiventag skizziert wurde, hat mit klassischer Seniorenarbeit auf den ersten Blick kaum etwas zu tun. Hier geht es nicht um Kirchenkaffee oder Seniorenausflüge, sondern um aktive Mitgestaltung von Kirche und Gesellschaft sowie Beziehungen und Austausch auf Augenhöhe. Eine nächste Tagung ist am 14. November 2026 geplant.
Guter Wein oder saure Milch
In den vergangenen Jahren sind im Umfeld der Arbeitsgemeinschaft «Perspektive 3D» verschiedene Initiativen und Projekte entstanden, die zum dritten Drittel des Lebens innovative Wege beschreiten, so etwa die Idee übergemeindlicher Initiativen Pro Aging in jeder Region. Andi Bachmann-Roth, Co-Generalsekretär der SEA, sagt dazu: «Ich durfte mich im Kontext der vierten Weltkonferenz der Lausanner Bewegung zum Thema ‹Global Aging› vernetzen. Aus dieser globalen Perspektive kann ich sagen: Diese Projekte aus der Schweiz haben Pioniercharakter.»
«Sind wir Babyboomer reifer, geniessbarer Wein oder ein Krug voll saurer Milch?», fragte ein Referent. «Vermittle ich Lust auf das Altwerden?» Diese Fragen kann man nur positiv beantworten, wenn man sich auch mit seiner eigenen Geschichte versöhnt und zu einer gesunden Identität gefunden hat. Der Perspektiventag hat dazu eingeladen, diese Fragen aktiv anzugehen und die Babyboomer-Phase positiv zu gestalten.
Für weitere Informationen stehen Ihnen vom Projektteam gerne zur Verfügung:
Kontakte
Christa Gasser
Koordinatorin SEA-Arbeitsgemeinschaft «Perspektive 3D»
Tel. 079 209 12 05
christagasser4@gmail.com
Markus Müller
Initiator «Perspektive 3D» und Gründer «Initiative Pro Aging»
Tel. 079 918 07 93
markus.muellerdzl@outlook.com
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