Diakonie: Anfangen ist schon ein Anfang

Eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen für die Diakonie ist der demografische Wandel. Künstliche Intelligenz kann in verschiedenen Einsatzbereichen helfen, trotz weniger Erwerbstätigen Dienstleistungen in hoher Qualität anzubieten.

Während der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung sinkt, wächst zugleich die Zahl pflegebedürftiger Menschen im hohen Alter. Dem steigenden Bedarf in den sogenannten Care-Berufen stehen immer weniger potenzielle Arbeitskräfte gegenüber. Was tun? Wollen diakonische Einrichtungen ihre Dienste weder einstellen noch die Qualität ihrer Angebote senken, bleibt als Option die Steigerung der Produktivität der Mitarbeitenden. Die Digitalisierung – und damit auch KI – spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Wo Maschinen Aufgaben von Mitarbeitenden in gleicher oder sogar besserer Qualität ausführen, bleibt diesen mehr Zeit für Tätigkeiten, die ausschliesslich von Menschen ausgeübt werden können.

Von Textassistent bis Empathie-Roboter

Viele der 33’000 ambulanten und stationären Dienste der Diakonie in Deutschland nutzen bereits KI oder ziehen deren Einsatz in Erwägung. Vor allem in der Verwaltung, etwa beim Umgang mit Texten, gibt es nur wenige Unterschiede zu anderen Sektoren von Wirtschaft und Gesellschaft. Spezifischer sind KI-Anwendungen, die Arbeitsabläufe und -prozesse betreffen, beispielsweise in der Pflegedokumentation. Schliesslich kann KI auch direkt bei Leistungen für Klientinnen und Klienten eingesetzt werden. Ein bekanntes Beispiel ist der Empathie-Roboter Navel.

Vor allem grössere Unternehmen der Diakonie gehen voran. Ihnen fällt es leichter, die anfangs oft hohen Investitionen zu stemmen. Doch was können kleinere Einrichtungen und Dienste tun?

  1. Anfangen
    Gerade im Verwaltungsbereich lassen sich viele kostengünstige oder sogar kostenlose KI-Angebote ausprobieren: Welche Art von Anwendung bietet einen Mehrwert? Hier sollten insbesondere Führungskräfte vorangehen oder aufgeschlossene Mitarbeitende zum Testen ermutigen.
  2. Austausch und Nutzung von Wissen
    Es gibt zahlreiche, oft niedrigschwellige Veranstaltungen und Austauschplattformen zu KI-Fragen – sowohl innerhalb der Diakonie und der Sozialwirtschaft als auch von Behörden oder Stiftungen initiiert.
  3. Ethische Auseinandersetzung
    Die Reflexion über die Auswirkungen institutioneller Entscheidungen auf den Menschen gehört zum Selbstverständnis von Diakonie. Einzelne Unternehmen und Dienste sollten für sich Massstäbe definieren: Was ist für uns angemessen oder sogar notwendig? Welche roten Linien sollen für uns gelten?
  4. Einen Rahmen schaffen
    Bei der Diakonie Deutschland haben wir uns frühzeitig entschieden, eine Leitlinie als normativen Rahmen für die Nutzung von KI zu formulieren.[1] Deren Ziel ist es, Risiken und Gefahren zu benennen, gleichzeitig aber die Mitarbeitenden zu ermutigen, sich auf KI einzulassen und sie zu nutzen. Wesentliche Elemente sind unter anderem das «Do-no-Harm»-Prinzip (negative Auswirkungen, insbesondere auf vulnerable Menschen, müssen möglichst ausgeschlossen sein), die Verantwortung der KI-Nutzenden für das Ergebnis und dessen Weiterverwendung, das Verbot vollautomatisierter Prozesse und Entscheidungen («Human-in-the-Loop») sowie Transparenz nach aussen bei der Nutzung von KI. Eine zentrale Maxime bleibt der Schutz sensibler Daten, unter anderem personen- und gesundheitsbezogener Daten.

[1] vgl. Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.: Leitlinien zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Berlin 2024, abrufbar unter www.diakonie.de/informieren/die-diakonie/digitalisierung (16.6.2025).

Tobias Traut ist Referent für Strategie und Planung bei der Diakonie Deutschland, dem Bundesverband der Diakonie. Er hat federführend an der Erstellung der KI-Leitlinien des Verbandes mitgewirkt.

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