Künstliche Intelligenz als Sparringpartner und hilfreiches Werkzeug – aber kein Ersatz für menschliche Kreativität und gelebte Menschlichkeit: Mit diesen und anderen Worten schildern vier Personen, wie sie Künstliche Intelligenz in ihrem Alltag gewinnbringend nutzen und wo sie dabei Grenzen erkennen.
Projektplanung, Recherchen oder Textüberarbeitung
Als die Anfrage kam, dachte ich: Was soll ich dazu sagen? Ich nutze KI eigentlich kaum. Dann erinnerte ich mich an das Keynote-Referat von Martin Künzi am Weiterbildungstag Kommunikation & Medien zur Rolle der KI im kirchlichen Kontext. Vorher kannte ich ChatGPT kaum, doch das Referat motivierte mich, KI im kirchlichen Alltag zu testen. Noch nutze ich sie selten, da ich mich im Umgang eher unsicher fühle. Dennoch habe ich festgestellt, dass ChatGPT bei Projektplanung, Recherchen oder Textüberarbeitung sehr hilfreich ist.
Martin Künzi sagte etwas Wichtiges: «KI wird immer ein minderwertiges Gegenüber sein, denn sie fühlt nicht und tröstet nicht. Sie freut sich nicht und weint nicht.» KI kann unterstützen, aber nicht ersetzen. Im kirchlichen Alltag braucht es echte Beziehungen, Mitgefühl und Authentizität. KI ist ein hilfreiches Werkzeug, aber kein Ersatz für gelebte Menschlichkeit.
Melanie Meury arbeitet als Pastorin in der BewegungPlus Basel und als Pflegefachfrau im Kinderspital.
Ein Assistent für die Assistentin
Ich nutze vor allem KI-Text-Generatoren (ChatGPT, DeeplWrite) fürs Brainstorming oder einfachere Textentwürfe. ChatGPT liefert mir erste Ideen für Headlines oder einfache Beschreibungstexte, die ich anpassen und ausfeilen kann. Und KI kann dabei helfen, die «Angst vor dem weissen Blatt» zu überwinden. Gerade für Medienmitteilungen lasse ich mir gerne einen ersten Entwurf kreieren, an dem ich dann nach eigenem Gutdünken rumfeile und werkle.
Als «Wortkünstlerin» ist es mir wichtig, Fakten zu überprüfen, einen Text selbst zu überarbeiten und stilistisch zu finalisieren. So sehr ich meinen KI-Assistenten schätze: Meine kreative Freiheit lasse ich mir von den Tools nicht nehmen. Wie Willi Näf es so passend ausgedrückt hat: «KI frisst sich durchs Internet und gibt das Erbrochene wieder.» KI denkt nicht und schafft nichts Neues. Dazu braucht es (zum Glück) noch immer menschliche Kreativität.
Sonja Meier arbeitet beim Bibellesebund Schweiz (BLB) im Bereich Kommunikation. Briefe, Flyer, Newsletter, Artikel für den BLB Fokus und Kolumnen für IDEA – das Texten nimmt viel Platz in ihrem Arbeitsalltag ein.
Texte im Dialog entwickeln
In meinem beruflichen Alltag schätze ich Künstliche Intelligenz als Sparringspartner, um Ideen und Texte zu entwickeln. Am Anfang stehen die Idee, Papier und Bleistift. Danach formuliere ich Stichworte oder Satzfragmente und übergebe sie an die KI. Daraus entsteht ein Dialog: Ich erhalte Vorschläge, bringe Variationen ein, die mich auf neue Gedanken bringen, verwerfe, passe an, verbessere, lasse neu formulieren. So entsteht Schritt für Schritt der Text, das Konzept oder die Präsentation – und meistens bin ich am Ende um einige Einsichten reicher.
Ein Beispiel, das ich oft nutze: Ich frage die KI, wie sie den Text für ein Kind formulieren würde. In diesem Fall etwa so: «Ich starte mit einer Idee, Papier und Bleistift. Dann hilft mir ein schlauer Computer, den Text besser zu machen. Wir basteln gemeinsam daran, bis alles klar, spannend und richtig gut ist!»
Ich sehe sehr viel mehr Chancen als Risiken in den neuen Technologien. Bedenken lassen sich mit einem guten technischen Verständnis meist gut einordnen. Gleichzeitig bin ich beim Einsatz von KI sehr vorsichtig im Umgang mit persönlichen oder geschäftlichen Daten. Ich verwende deshalb ausschliesslich KI-Produkte, bei denen der Datenschutz klar geregelt ist.
Simon Spalinger hat Informatik an der ETH Zürich studiert und ist aktives Mitglied der GVC Winterthur. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Als Gründer des Startups RWAI – Real World Artificial Intelligence entwickelt er KI-basierte Lösungen zur Optimierung von Service-, Support- und Wartungsprozessen.
Kreativität und Manipulation
KI nutzen viele von uns schon länger unbewusst, ob beim Online-Shopping oder bei Video-Vorschlägen, die uns YouTube offeriert. Erst seit der Präsentation von ChatGPT ist das Ausmass den meisten von uns bewusst geworden. Persönlich nutze ich bewusst KI zum Beispiel bei der Bildbearbeitung, wo mir die Software verrauschte Bilder, die ich im Dunkeln aufgenommen habe, erstaunlich gut aufbessert. Geschäftlich verwenden wir seit einigen Monaten ein Tool, welches unsere schweizerdeutschen TV-Interviews mithilfe von Künstlicher Intelligenz in guter Qualität in Text umwandelt. Vor wenigen Jahren wäre diese Leistung noch undenkbar gewesen. Diese Unterstützung spart uns viel Zeit.
Kritisch bin ich, wenn ich die Mächtigkeit der neuesten Bild- und Videogeneratoren ansehe. Schon bald werden wir von Auge nicht mehr feststellen können, ob ein Foto oder Film «echt» aufgenommen oder rein digital geschaffen wurde. Das öffnet neben kreativen Möglichkeiten auch Tür und Tor für Missbrauch und Manipulation.
Michael Bischoff ist Theologe und Journalist bei ALPHAVISION und seit 2017 Chefredaktor der TV-Sendung «FENSTER ZUM SONNTAG» (Ausstrahlung auf SRF).